Von Ampeln und Zimmerbrunnen 07.07.2015, 00:00 Uhr

Extreme Feedback Devices erzeugen Aufmerksamkeit

Kreative Signalgeber für das Entwickler-Team zeigen an, wenn etwas schief gegangen ist.
Extreme Feedback Devices (XFDs) sorgen dafür, dass wichtige Mitteilungen, etwa zum Projektstatus oder zu einem Fehler bei der Softwareentwicklung, unmittelbar wahrgenommen werden und nicht in der täglichen E-Mail-Flut untergehen. Der Artikel erläutert, welche unterschiedlichen Formen ein XFD annehmen kann, was Unternehmen bei einer Einführung beachten sollten, welche Herausforderungen sich damit lösen lassen - und welche nicht.
Insbesondere bei größeren Projekten hat sich in der Software-Entwicklung das Prinzip der kontinuierlichen Integration (Continuous Integration) etabliert. Hierbei wird fortlaufend Code aus mehreren Quellen in ein zentrales System eingecheckt und regelmäßig auf Fehler geprüft. Wird ein Problem festgestellt, ist es entscheidend, das Team umgehend darüber zu informieren, damit der Fehler behoben und kein weiterer Code eingecheckt wird.
Häufig erfolgen diese Benachrichtigungen noch per E-Mail - bei vielen Dutzend eingehenden Mails pro Tag ein denkbar ungeeigneter Kanal, wenn es um die Übermittlung dringender Nachrichten geht, die eine sofortige Reaktion erfordern. Ist ein Build gescheitert und es wird weiter Code eingecheckt, weil keiner das Problem wahrgenommen hat, macht dies die Fehlersuch deutlich schwieriger und komplizierter.
Um diese Situation zu vermeiden, entwickelte der IT-Spezialist Alberto Savoia 2004 die ersten sogenannten Extreme Feedback Devices (XFDs): Lampen, die für jeden gut sichtbar im Raum aufgestellt wurden und je nach Zustand der getesteten Software in unterschiedlichen Farben leuchteten. So lässt sich sicherstellen, dass eine Fehlermeldung umgehend wahrgenommen wird und nicht in der üblichen E-Mail-Flut untergeht.
Mit allen Sinnen - Beispiele für unterschiedliche Extreme Feedback Devices Auch wenn ein XFD, der ein optisches Signal übermittelt, recht naheliegend und in vielen Situationen am geeignetsten ist, muss es nicht zwingend eine Lava-Lampe im Stil von Savoia sein. Darüber hinaus können selbstverständlich auch andere Sinnesorgane angesprochen werden, wenn die räumliche Umgebung dies erlaubt, es dem Team nutzt und die Mitarbeiter es akzeptieren.
Für die Augen: Optische Signale
Von unterschiedlichsten Lampen in wechselnden Farben bis hin zur original Verkehrsampel sind Lichtquellen beliebte und häufig genutzte XFDs. Zum einen lassen sie sich relativ günstig herstellen, unkompliziert anbinden und einfach programmieren: Um loszulegen benötigt man lediglich eine per Software schaltbare Steckdosenleiste sowie ein entsprechendes Leuchtmittel. Zum anderen signalisieren sie den Projektstatus unaufdringlich, aber dennoch für jeden sofort sichtbar. Bei verteilten Teams in unterschiedlichen Locations eignen sich hierfür ersatzweise auch leuchtende USB-Sticks. Dann müssen sich die Teammitglieder jedoch dazu verpflichten, den Stick beispielsweise auch im Homeoffice tatsächlich einzusetzen, damit er seinen Zweck erfüllen kann.
Manch einer mag sich mit profanen Lampen als XFD nicht zufrieden geben und entwickelt kreativere Lösungen. Das Spektrum reicht vom plötzlich an der Wand auftauchenden Batman-Schattenriss bis hin zum Zimmerspringbrunnen, der sich immer dann aktiviert, wenn Code eingecheckt wird .
Weniger originell, dafür jedoch unauffällig in die Büro-Umgebung integrierbar und mit der Möglichkeit, etwas mehr an Informationen zu übermitteln, sind LED-Schriftbänder oder Wall-Displays. Bei letzteren handelt es sich in der Regel um Monitore, die den Projektstatus anzeigen, ggf. mit einem farblich unterlegten Ampel-Schema.
Für die Ohren: Akustische Signale
Natürlich kann man das Ereignis "kaputter Build" lautstark per Martinshorn im Büro vermelden. Der Vorteil: die Mitarbeiter nehmen die Message garantiert wahr. Der Nachteil: vermutlich früher als später wird ein entnervter Mitarbeiter dieses XFD wieder entfernen. Etwas diskreter ist die Option, zusätzlich zu einem optischen Device dezente Soundeffekte einzusetzen. Bei Teams, in deren Büros üblicherweise Musik beim Arbeiten läuft, lässt sich zudem mit der Unterbrechung der Playlist durch unpassende oder unbeliebte Musiktitel Aufmerksamkeit erzielen. Wie nachhaltig und wirkungsvoll diese Taktik jedoch ist, bleibt fraglich und hängt individuell vom Team ab.
Für die Nase: Olfaktorische Signale
Rein theoretisch ist auch ein Feedback über den Geruchssinn möglich. Immerhin haben Gerüche großen Einfluss auf das Zentrale Nervensystem und können dazu beitragen, Stress zu reduzieren oder die Konzentration zu erhöhen. In der Praxis gestaltet sich dieser Weg jedoch eher problematisch. Zum einen geht es beim Extreme Feedback darum, eine wichtige Nachricht sehr schnell zu kommunizieren. Nutzt man aber dezente Duftsignale, etwa über elektrische Luftbefeuchter mit Aromazusätzen , kann es durchaus eine Weile dauern, bis die Botschaft ihre Empfänger erreicht. Für einen schnelleren und eindeutigeren Effekt lassen sich natürlich auch Hilfsmittel finden - aber wer möchte schon in einem Büro arbeiten, in dem regelmäßig Stinkbomben gezündet werden?
Auf olfaktorischen Signalen beruhende XFDs sind daher eher nicht zu empfehlen. Abgesehen vom Risiko potenzieller Gesundheitsgefährdungen (Allergiker, Schwangere) ist die Wahrnehmung bei Gerüchen oft sehr unterschiedlich - was der eine als angenehm empfindet, ist für den nächsten unerträglicher Gestank. Und möglicherweise ist der Fehler im Build wesentlich schneller behoben, als es dauert, das Geruchssignal vollständig zu neutralisieren.
Für den Körper: Haptische Signale
Wem optische oder akustische Feedback Devices zu dezent sind, kann optional auch zu spürbareren Kommunikationsmitteln greifen. USB-Raketenwerfer in unterschiedlichsten Ausführungen und Größen erfreuen sich hier einiger Beliebtheit. Voraussetzung für den Einsatz dieser etwas brachialeren Kommunikationsmittel sind natürlich entsprechende Räumlichkeiten, d.h. die Teammitglieder müssen zusammen in einem Raum und an fest vergebenen Schreibtischplätzen sitzen. Sonst kann es passieren, dass die Rakete einen völlig Unbeteiligten trifft. Manche Teams bevorzugen ohnehin eine allgemeiner gehaltene Benachrichtigung, etwa durch Lichtsignale, gegenüber dem individuellen Hervorheben eines "Schuldigen" durch gezielten Beschuss. Wer also über den Einsatz eines solchen XFD nachdenkt, sollte dies auf jeden Fall mit allen Beteiligten absprechen.
XFDs sind Hilfsmittel, keine Problemlöser
Ist sich ein Team darüber einig, dass ein Extreme Feedback Device ein hilfreiches Tool wäre, gilt es, über die am besten geeignete Ausprägung zu entscheiden. Bei der Platzierung sollte speziell bei Lampen und Wall-Displays darauf geachtet werden, dass diese bei allen Lichtverhältnissen jederzeit gut sichtbar bzw. lesbar sind. Hat man schließlich aus USB-Steckdosenleisten, Lampen und farbigen Glühbirnen beispielsweise eine XFD-Ampel gebastelt und erfolgreich implementiert, darf man einen Fehler jedoch nicht machen: erwarten, dass mit dem neuen Signalgeber alle prozessualen Probleme des Entwickler-Teams gelöst sind.
XFDs sind nützlich, um alle Beteiligten umgehend über einen gebrochenen Built zu informieren und so dafür zu sorgen, dass niemand mehr weiteren Code eincheckt und dadurch die Fehlersuche möglicherweise erschwert. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dass grundsätzlich die Code-Qualität stimmt, dass ein Teammitglied sofort die Verantwortung dafür übernimmt, einen gebrochenen Built zu reparieren und dass prinzipiell die Motivation vorhanden ist, erfolgreiche Entwicklungsarbeit zu übernehmen - all dies ist und bleibt Aufgabe der beteiligten Mitarbeiter, nicht eines USB-Raketenwerfers oder einer Lava-Lampe.
9 Tipps, die Sie bei der Einführung von Extreme Feedback Devices beachten sollten:
  • Wählen Sie einen gut sichtbaren Ort, der ein einfaches Ablesen der Status-Anzeige gewährleistet. Platzieren Sie das XFD nicht direkt vor einem Fenster oder in einer unzugänglichen Ecke. Gut geeignet sind neben dem Büro des zuständigen Teams auch Plätze in häufig genutzten öffentlichen Räumen, z.B. neben der Kaffeemaschine.
  • Wenn keine farbigen Lampen genutzt werden, lässt sich der Systemstatus zusätzlich über die Hintergrundfarbe darstellen, z.B. bei Wall Displays. So können Mitarbeiter die Statusanzeige auch aus weiterer Entfernung auf einen Blick ablesen.
  • Übermitteln Sie so wenig Information wie nötig, eine klare Statusanzeige ist ausreichend. Detailliertere Informationen lassen sich dann dem zugrundeliegenden System entnehmen.
  • Versuchen Sie, Bewegungen und Statuswechsel weitestgehend zu minimieren, da jede Aktion Aufmerksamkeit abzieht. Nutzen Sie Ihr XFD daher möglichst nur für Status-Wechsel, um die Aufmerksamkeit zielgerichtet zu lenken.
  • Auch wenn es noch so verlockend ist: ein Extreme Feedback Device ist kein Spielzeug - selbst dann nicht, wenn es in Form eines USB-Raketenwerfers daherkommt. Wird ein XFD häufig grundlos aktiviert, verliert sich die Signalwirkung, wenn es um eine wirklich wichtige Rückmeldung geht.
  • Ist ein XFD eingerichtet und funktionsfähig, sollten Sie zunächst testen, ob das Device dem Team hilft, bevor weiter daran gebastelt wird. Der XFD-Einsatz kann z.B. auch ein regelmäßiger Punkt im Rahmen der Scrum-Retrospektive sein.
  • Devices sind kein Ersatz für Disziplin! Sie helfen lediglich, das Feedback zu beschleunigen, lösen aber keine Probleme. Die angezeigten Fehler zu beseitigen, ist und bleibt Aufgabe des Teams.
  • Überlegen Sie schon vor der Implementierung des XFD gemeinsam im Team, wie Sie mit dem Fehlersignal umgehen wollen. Klären Sie, wer wofür die Verantwortung übernimmt. "Ich habe dafür keine Zeit!" ist keine Ausrede. Setzen Sie die Regeln durch, die Sie für den Fall eines Fehlersignals aufgestellt haben.
  • Devices sind keine QA-Metrik! Wie oft z.B. die rote Lampe aufleuchtet, sagt noch nichts über die Qualität der Software aus. Aber: Wenn der Build sehr häufig kaputt ist, liegen meist grundsätzliche Probleme vor, die in der Regel in einer mangelhaften Zusammenarbeit begründet sind.
Nicolas Byl, Senior Softwareentwickler bei Netpioneer GmbH



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