Developer Week 2017 14.08.2017, 00:00 Uhr

Volles Programm

Zum fünften Mal fand in Nürnberg die große Entwicklerkonferenz statt –
in diesem Jahr mit drei Keynotes.
Ein bisschen kann einem der Mann von Jennifer Marsman (Bild 1) schon leidtun. Hat die sympathische Ingenieurin – offizieller Titel: „Principal Software Development Engineer in Microsoft’s Developer and Platform Evangelism group“ – doch in DIY-Manier aus dem Headset Emotiv EPOC+ und
den Datenalgorithmen von Azure Machine Learning einen Lügen­detektor gebaut. Wie bei einer Elektroenzephalografie nimmt das Headset über 14 Elektroden die Gehirnströme der Testperson auf und schickt die Daten an den Rechner – 128-mal in der Sekunde, also mit 1700 Datenwerten pro Sekunde.
Jennifer Marsman bei der Keynote der Developer Week 2017: Sie baute sich einen Lügendetektor (Bild 1)
Werden diese auf dem Bildschirm angezeigt, sieht man sofort, wo die Herausforderung bei der Auswertung liegt: Die Werte zappeln wild umher. Nur bei starken Emotionen oder Reaktionen ergeben sich dementsprechend große Ausschläge. Der Rest ist aber ein ziemliches Rauschen. Auch die Veränderungen, wenn man nicht die Wahrheit sagt, gehen wohl im Rauschen unter. Wer also hieraus Aussagen gewinnen will, der benötigt die Hilfe von Algorithmen. Diese gibt es von verschiedenen Herstellern – unter anderem von Microsoft.
Machine Learning heißt die Technologie, die Jennifer verwendet hat: Nach einer Trainingsphase, in der Daten verarbeitet werden, deren Echt- oder Falschheit bekannt ist, können der Testperson Ja-Nein-Fragen mit unbekannter Antwort gestellt werden. Das trainierte Netz findet dann heraus, ob jemand lügt oder nicht.
Im Video setzte Jennifer ihrem Vorgesetzten das Headset auf und stellte ihm nach einer Trainingsphase zwei Fragen: „Ist Microsoft die beste Firma?“ und „Erhalte ich dieses Jahr eine Prämie?“ Bei der ersten Antwort ermittelte die Technik eine sehr wahrscheinliche Lüge: Der Chef von Jennifer ereiferte sich zwar mit: „Microsoft ist toll“, aber er verwendet ein iPhone und steht sehr auf Design. In puncto Prämie gab er erst nach längerem Zögern die Antwort: „Ja“. „Das ist wahr“, ermittelte der Lügendetektor, und in der Tat erhielt Jennifer eine Prämie.
Sie vermittelten ihr Wissen an die Teilnehmer: die Sprecher der Developer Week 2017 (Bild 2)
Jennifer hielt die Eröffnungs-Keynote der Developer Week 2017, der großen Entwicklerkonferenz in Nürnberg. Drei Tage Konferenz mit rund 200 Sessions und ein Tag mit Halb- und Ganztages-Workshops. Die Teilnehmer profitieren von dem Wissen der rund 150 Sprecher (Bild 2). Die Developer Week feierte dieses Jahr ihren fünften Geburtstag. Aus dem Grund gab es an jedem der drei Konferenztage eine Keynote, deren Themen das Wissensgebiet aufspannten: Von der Architektur über DevOps bis hin zur künstlichen Intelligenz beziehungsweise dem Machine Learning. 1700 Teilnehmer waren dieses Jahr vor Ort, und über 35 Partner, die an Ständen ihre Produk­te und Dienstleistungen präsentierten.
Donovan Brown zeigte, wie hilfreich die Tools aus der Cloud sein können, wenn es darum geht, mobile Anwendungen zu entwickeln (Bild 3)

DevOps

Donovan Brown (Bild 3), Principal DevOps Program Manager in Microsofts US Developer Division Team, zeigte in seiner Keynote am zweiten Tag, wie sich Software für Mobilgeräte entwickeln, deployen und testen lässt. In Zeiten von Dev­Ops, dem Zusammenwachsen also von Entwicklung und Betrieb von Software, sei das Zusammenspiel der Werkzeuge fundamental wichtig. Dazu gehöre in der Continuous Integra­tion besonders auch das Build System. Dieses sei im Team Foundation Server in der Vergangenheit nicht optimal gewesen. „I apologize for the build system in TFS 2005 … and 2008 … and 2010 … and …“, witzelte Donovan bei seiner Keynote. Inzwischen sei das Buildsystem aber ein Traum.

Architektur

So wie jeder Mensch einen Charakter hat, so verfügt jede Software über eine Architektur. Mag sie angemessen, unübersichtlich oder unwartbar sein: Eine Software hat eine Architektur. Besser sei es also, sich vorher Gedanken über die passende Architektur zu machen, als sie dem Zufall zu überlassen. Simon Brown (Bild 4), der als selbstständiger Consultant und Trainer für Softwarearchitektur auf der britischen Insel Jersey lebt, hob dies in der Closing Ses­sion am letzten Konferenztag hervor. Wichtig sei es außerdem, dass Architekt und Entwicklungsteam eng zusammenarbeiteten. „Don’t be an AaaS“, sagt Simon grinsend. „Don’t be an Architect as a Service“, ein Architekt also, der eine Architektur aufstellt, diese an das Entwicklungsteam übergibt und sich fürderhin nicht mehr darum kümmert.
Simon Brown plädierte für eine eindeutige Dokumentation der Anwendungsarchitektur (Bild 4)
Elementar wichtig sei es auch, die Architektur richtig zu dokumentieren. „Wenn Sie zwei verschiedene Landkarten von Nürnberg nebeneinander legen, mögen die Farben und hervorgehobenen Details unterschiedlich sein. Doch jeder sieht sofort: das ist Nürnberg, und kann die wichtigen Plätze sofort lokalisieren.“
Solch einen Zustand müsse die Dokumentation der Architektur einer Anwendung auch erreichen. Simon hat dafür ­eine eigene Methode entwickelt, die er C4 nennt. Ein wichtiger Punkt darin ist, dass es nur Container, darin Komponenten und darin wiederum Klassen gebe. Mithilfe dieser Elemente ließe sich die statische Struktur einer Anwendung aufmalen – und jeder verstehe sofort, wie das gemeint sei.

Fortbildung hebt den Marktwert

Gespräche am Rande und das Networking gehören zu den wichtigsten Vorteilen einer Konferenz wie der Developer Week. Hier kommt beispielsweise heraus, dass Entwickler und Firmen gleichermaßen in der Bredouille stecken, wenn es um Innovation und das Sichern von Erarbeitetem geht. Einerseits wollen viele neue Technologien und Vorgehensweisen wie Scrum einsetzen. Doch soll sich doch bitteschön nichts an dem ändern, was sich über Jahre etabliert habe. Seien das nun Programmiersprachen, Tools oder aber auch die Struktur und Arbeitsweisen der Teams. Angst vor Unbekanntem, vor Verlust des Renommees oder gar finanzielle Einbußen führen nicht selten zum Abblocken von Neuerungen.
Besonders wichtig ist aber die eigene Fortbildung. Auch das ist ein Ergebnis aus Gesprächen mit Entwicklern auf der Konferenz. Wer fünf Jahre eine Quellcodebasis pflegt, ist zwar intimer Kenner dieses Codes. Wenn er sich aber nicht nebenbei fortbildet, sinkt sein Marktwert. Als Beispiel wird eine Code-Basis von Visual Basic 6 genannt. Freilich macht sich einer, der diesen Bestand pflegt, unverzichtbar. Doch wenn sich derjenige nicht nebenbei mit neueren Technologien beschäftigt, ist er irgendwann schwer vermittelbar – und das, obwohl der Markt an Softwareentwicklern leer gefegt ist.
Auch eine Erkenntnis aus diesen Gesprächen: Große, bekannte Firmen ziehen eher Entwickler an als die unbekannte Zweimannbude um die Ecke. Jeder will also zu Microsoft, Google oder IBM, und erst wenn das nicht klappt, sind viele bereit, auch in mittelständischen Firmen zu arbeiten. Somit erhalten also die großen Firmen die guten Leute.

Interessante Einblicke

Ein weiterer Vorteil von Konferenzen ist, dass man Einblicke in die Arbeitsweise von Firmen erhält, die man sonst nur bekommt, wenn man dort beschäftigt ist. Eine Firma wie GitHub etwa entwickelt ihre Softwaresysteme selbst. Selbstredend sind damit jede Menge Änderungen für das Live-System zu bauen und einzuspielen. Aber auch bei GitHub kann da mal was schiefgehen. Im schlimmsten Fall taucht dann für die Nutzer das Bild eines Einhorns im Browser auf, das anzeigt, dass ein interner Serverfehler vorliegt. Damit das aber möglichst selten passiert, hat GitHub Frameworks und Strategien entwickelt. Welche das sind, hat Johannes Nicolai von GitHub auf der Developer Week vorgestellt.
Ein anderes Problem sei die Kommunikation innerhalb der Firma. Denn die 600 Mitarbeiter sind über die Länder und Zeitzonen verstreut und sitzen meist auch nicht mal in den Niederlassungen. Eine direkte Kommunikation fällt damit aus. Nur: E-Mail setzt GitHub nicht ein. Vielmehr würden die eigenen Systeme genutzt. Somit verwenden die Mitarbeiter Issue Threads, Pull Requests und GitHub Flow, um zu arbeiten beziehungsweise zu kommunizieren.
Mit Windows 10 ist die synchrone Programmierung quasi am Ende. Asynchron sollen die Programme laufen, damit die User Experience optimal ist. Hört sich wie Marketing-Blabla an, ist auch Marketing-Blabla. Trotzdem ist natürlich etwas dran, denn keiner will vor einem Rechner sitzen, der nicht reagiert, weil eine Software gerade eine längere Berechnung im Hintergrund ausführt. Wie man ein synchrones .NET-Programm zu einem asynchron arbeitenden macht, hat Daniel Marbach in der Session „Refactoring to async/await“gezeigt. Das Refaktorieren läuft in vier Phasen ab: identify, ex­plore, overcome, bring together. Daniel nennt das iPob, gebildet aus Buchstaben der Phasen. Nach der Analyse, welche Teile der Anwendung IO-gebunden beziehungsweise -lastig sind, werden zwei Spikes gebaut, die erforschen sollen, wie sich das System bei der Änderung verhält. Anschließend werden mögliche Probleme adressiert und zum Schluss wird alles zusammengebracht.

Abends

Auch an den Abenden waren auf der Developer Week 2017 Information, Unterhaltung und Essen geboten. Am ersten Abend, auf der #nightone, zeigte beispielsweise Gregor Biswanger in Bademantel und Maske von Guy Fawkes, wie einfach sich Software hacken lässt. Der Saal war gut gefüllt und die Verkleidung so imposant, dass die Bild-Zeitung am nächsten Tag einen Bericht darüber brachte (Bild 5).
Sogar die Bild-Zeitung berichtete über die Developer Week 2017: Gregor Biswanger mit der Maske von Guy Fawkes zeigte, wie leicht man gehackt werden kann (Bild 5)
Bei der #communitynight am zweiten Abend stellte Sascha Dittmann U-SQL vor. Diese Sprache, die eine Mischung aus C#-Script und SQL ist, diene dazu, Big-Data-Abfragen zu platzieren, und zwar im Azure Data Lake Analytics Service. Damit lassen sich Abfragen auf Azure Data Lake Storage, Azure Blob Storage und Azure SQL DB, Azure SQL Data Warehouse und SQL Server kombinieren.
Mit wenigen Zeilen Code zauberten Jan Fellien, Siavash Ghassemi und Sebastian Achatz eine verteilte Lösung mit Message Queue hin. Und das ganz ohne irgendwelche Server aufsetzen zu müssen. Die Cloud – oder genauer Azure Functions – machen es möglich. Der Clou dabei ist, dass man den Code lokal in JavaScript oder C# entwickeln kann und ihn dann nur in die Cloud schieben muss. Aber auch direktes Editieren im Browser wird unterstützt.

Kids

Erstmalig bot die Developer Week „Kids and Code“ an. Hier konnten Kinder zwischen zehn und 16 Jahren lernen, wie man programmiert. Erste Webseiten mithilfe von HTML, CSS und JavaScript sind entstanden. Schleifen und Verzweigungen sollten hinterher kein Problem mehr sein. 22 Kinder waren auf dem Campus der Developer Week und wurden von 9 Uhr bis 17 Uhr von Alexander Hoffmann und Philip Frank unterrichtet.

Partnerkonferenzen

Volles Haus herrschte bei der SMART DATA Developer Conference, die am zweiten Tag stattfand. Hier konnten sich die Teilnehmer darüber informieren, welche Datenbank denn wohl die beste für eine Anwendung ist, wie Abfragen auf große Datenbestände ausgeführt werden können oder welche Technologien für das Machine Learning beziehungsweise die Datenanalyse zur Verfügung stehen.
In den Sessions vermittelten die Referenten ihr Wissen (Bild 6)
Welche neuen Technologien entscheiden, ob mein Geschäftsmodell auch künftig noch erfolgreich ist? Dieser Frage ging die Next IT Con nach, die ebenfalls am zweiten Tag stattfand. In zwei parallelen Strängen konnten sich die Teilnehmer zu Cloud Computing, Industrie 4.0, KI, Big Data, Virtual Reality, Hybrid Cloud, digitalem Arbeitsplatz oder Data-driven Marketing informieren, was rege genutzt wurde.

Partner und Messe

Wenn sich so viele Entwickler an einem Ort versammeln, dann ist das natürlich auch für Firmen hoch interessant. Hersteller von Tools und Anbieter von Dienstleistungen konnten auf der Fachmesse ihre Produkte der Zielgruppe präsentieren und mit den Teilnehmern der Developer Week 2017 in Kontakt treten.
Und davon wurde rege Gebrauch gemacht. Neben dem Platin-Partner DATEV eG aus dem Großraum Nürnberg waren mehr als 35 Firmen mit Ständen oder Auslagen vertreten: adesso AG, adorsys GmbH & Co. KG, Alegri International Group, BNP Paribas S.A., brainLight GmbH, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Cloudinary, CodeValue, Daimler AG, Developer Express Inc., developer media, Fast Reports Inc., German UPA e.V., Hama GmbH & Co. KG, Heinrich & Reuter Solutions GmbH, InooQ Deutschland GmbH, ISO-Gruppe, JetBrains s.r.o., KURZ Digital Solutions GmbH & Co. KG, LIDL Stiftung & Co. KG, MATHEMA Software Gmbh, NFON AG, Onlineprinters GmbH, Progress Software GmbH, RavenDB the .NET Document Database, Saxonia Systems AG, Shapefield UG, Sophos GmbH, SOS Software Service GmbH, STARFACE GmbH, Text Control GmbH und User Interface Design GmbH.

Workshops

Der letzte Tag der Developer Week steht immer im Zeichen der Workshops. Keynoter Simon Brown zeigte beispielsweise an einem kompletten Tag, wie man Architektur am besten visualisiert. Johannes Hoppe und Ferdinand Malcher führten die Teilnehmer durch die komponentenorientierte Entwicklung mit Angular 4 und TypeScript. Christian Giesswein drehte mit den Teilnehmern eine Anwendung durch die Mangel: „Refactoring done right“, lautete sein Thema.
Neu war allerdings, dass diesmal auch Halbtages-Workshops angeboten wurden. So konnte man sich von Marco Heimes­hoff Event Storming, Angular-Formulare von Udo Schöfer und Assad Awada oder ASP.NET Core mit Docker von Michael Kaufmann und Benjamin Abt beibringen lassen.

Fazit

„Wie traurig …“, „Doof …“, waren dann die Stimmen, die am Schluss von vielen zu hören waren: „Wie traurig, dass die Developer Week schon wieder vorbei ist.“ Oder: „Doof, dass es jetzt wieder ein Jahr dauert, bis die nächste DWX stattfindet.“ Aber genau das ist auch der Lichtblick. Denn der Termin für die nächste Developer Week steht schon fest. Sie wird vom 25. bis 28. Juni 2018 stattfinden. Kommen Sie dann ins NCC Ost der Messe Nürnberg und sehen Sie selbst.
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