Bitkom 26.03.2024, 16:04 Uhr

So digital sind Deutschlands Hochschulen

Videokonferenz statt Hörsaal, Portal statt Briefkasten, Online-Sprechstunde statt Büro –Corona hat den Hochschulen einen Digitalisierungsschub verliehen und schon kommt mit Künstlicher Intelligenz die nächste Herausforderung.
(Quelle: Bitkom.org)
65 Prozent der Studierenden haben bereits ChatGPT genutzt, weitere 22 Prozent können sich das vorstellen, insgesamt 95 Prozent haben schon davon gehört. Lediglich 9 Prozent kennen ChatGPT zwar, können sich eine Nutzung aber nicht vorstellen. Nur 4 Prozent haben noch nie davon gehört oder gelesen. Der KI-Einsatz ist jedoch weitgehend ungeregelt. Nur rund ein Drittel (37 Prozent) der Studierenden berichtet von einschlägigen Regeln an ihrer Hochschule. Das sind Ergebnisse einer neuen Studie des Bitkom zur Digitalisierung an Hochschulen, für die rund 500 Studierende online befragt wurden. "Künstliche Intelligenz ist aus dem Uni-Leben nicht mehr wegzudenken. Viele Studierende nutzen generative KI wie ChatGPT, nur die wenigsten Hochschulen wissen aber, wie sie damit zum Beispiel bei Prüfungen, Studienarbeiten oder in der wissenschaftlichen Forschung umgehen sollen", sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Bislang wird ChatGPT von den Studierenden vor allem als Recherchetool genutzt: 68 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer setzen es dafür ein, 40 Prozent zur Erstellung von Zusammenfassungen, jeweils 37 Prozent zur Vorbereitung von Präsentationen und zur Korrektur von Texten, 35 Prozent zur Übersetzung von Texten. Aber auch im Prüfungskontext spielt ChatGPT eine Rolle: Ein Drittel (33 Prozent) hat es schon für die Prüfungsvorbereitung genutzt, 26 Prozent für das Schreiben von Hausarbeiten, 9 Prozent für das Schreiben von Abschlussarbeiten und 4 Prozent sogar während einer laufenden Prüfung.
Insgesamt sind die Studierenden beim KI-Einsatz für Prüfungen aber gespalten: 44 Prozent finden, die Nutzung von ChatGPT für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten sollte verboten werden. 54 Prozent sagen, durch ChatGPT können sich Studierende einen ungerechten Vorteil verschaffen. Gleichzeitig meinen drei Viertel (74 Prozent) der Studierenden, man sollte in der Hochschule lernen, wie man ChatGPT richtig nutzt. 44 Prozent finden, der Einsatz von ChatGPT sollte an allen Hochschulen Standard sein. Andererseits sind aber auch 60 Prozent der Ansicht, der Einsatz von ChatGPT führe dazu, dass Studierende weniger selbstständig denken und lernen. Wintergerst: "Hochschulen sind besondere Orte, weil hier gleichzeitig an KI geforscht und auch schon mit ihr gearbeitet wird. Ausgerechnet den Studierenden die Nutzung von KI grundsätzlich zu verbieten, wäre also nicht nur nicht durchsetzbar, sondern auch ein falsches Signal für den KI-Standort Deutschland."
Obwohl ein Großteil der Studierenden KI also schon nutzt, wird nur einer Minderheit dabei Regeln an die Hand gegeben: Insgesamt 37 Prozent der Studierenden wissen, dass es an ihrer Hochschule Regeln zum Einsatz generativer KI wie zum Beispiel ChatGPT gibt: 17 Prozent wissen von zentralen Regeln für die Hochschule insgesamt, bei einem Fünftel (20 Prozent) werden Regeln vereinzelt vom Lehrpersonal festgelegt. Ein Drittel (33 Prozent) gibt an, keine Regeln zu haben und weitere 30 Prozent wissen nicht, ob es an ihrer Hochschule Regeln gibt oder haben dazu keine Angabe gemacht. Wintergerst: "Eine Regel, die niemand kennt, ist bedeutungslos. Um es aber für alle auch im Prüfungskontext fair und verbindlich zu halten, gilt es, transparente und klare Regeln zu schaffen und umzusetzen. Damit die Potenziale der Technologie genutzt werden können, brauchen Studierende und Lehrende Sicherheit, was beim Einsatz von KI in Wissenschaft und Lehre verboten, was erlaubt und was sogar erwünscht ist."
Was die Digitalisierung generell angeht, haben die deutschen Hochschulen in den vergangenen Jahren aus Sicht der Studierenden einen Sprung gemacht – aber trotzdem international noch Nachholbedarf: 73 Prozent der Studierenden sagen, die Coronapandemie habe zu einem Digitalisierungsschub an ihrer Hochschule geführt. Ebenfalls 73 Prozent meinen, die deutschen Hochschulen hinken im internationalen Vergleich stark hinterher. 64 Prozent sind der Meinung, die deutschen Hochschulen hätten die Digitalisierung verschlafen. Demgegenüber sehen 18 Prozent der Studierenden die deutschen Hochschulen als Vorreiter der Digitalisierung. Wintergerst: "Gerade im internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe und besten Ideen ist es wichtig, die Hochschulen digital auf die Höhe der Zeit zu bringen. Digitale Hochschulen sind ein Standortfaktor erster Güte."
Insgesamt geben die Studierenden der Digitalisierung der eigenen Hochschule im Durchschnitt immerhin die Schulnote 2,7. Deutschlands Hochschulen schneiden damit sehr viel besser ab als Deutschlands Schulen. Das scheint aber nicht genug: 7 von 10 Studierenden (68 Prozent) wünschen sich mehr Digitalisierung und Nutzung digitaler Technologien an ihrer Hochschule und 87 Prozent fordern, die Hochschulen sollten mehr in Digitalisierung investieren. "Studierende erwarten, dass Hochschulen digitale Technologien so selbstverständlich einsetzen wie sie selbst", sagt Wintergerst. "Dafür brauchen die Hochschulen finanzielle Sicherheit. Deshalb muss das im Koalitionsvertrag angekündigte Bundesprogramm Digitale Hochschule kommen. Wer ausgerechnet an der Digitalisierung der Bildung spart, spart an der falschen Stelle."


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