GHOST 03.07.2015, 00:00 Uhr

Wenn sich Daten aus dem Bildschirm herausziehen lassen

GHOST steht für Generic, Highly-Organic Shape-Changing Interfaces. Das von der EU unterstützte Forschungsprojekt will Menschen in Zukunft erlauben, mit Computern und Mobilgeräten physische Objekte zu betrachten und zu bearbeiten.
Faszinierende neue Technologien, die Benutzern ermöglichen, die Form von Bildschirmen mit der Hand zu verändern, könnten die Art und Weise revolutionieren, auf die wir mit Smartphones, Laptops und Computern interagieren. Stellen Sie sich vor, Sie könnten Objekte und Daten aus dem Bildschirm herausziehen und sie mitten in der Luft bearbeiten. Flachbildschirme sind zur Normalität geworden, und wir verwenden Sie den ganzen Tag – am Computer im Büro, mit dem Smartphone in der Bahn nach Hause und als Fernsehgerät oder mit dem iPad abends auf dem Sofa. Unsere Welt ist allerdings nicht flach, sie besteht aus Hügeln und Tälern, Menschen und Gegenständen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten den Bildschirm mit der Hand verändern und Objekte in unsere dreidimensionale Welt ziehen.
Mit dieser Idee wurde im Januar 2013 das EU-unterstützte Forschungsprojekt GHOST (Generic, Highly-Organic Shape-Changing Interfaces) ins Leben gerufen, um Menschen zu erlauben, mit Computern und Mobilgeräten physische Objekte zu betrachten und zu bearbeiten.
"Dies wird sich zukünftig auf alle möglichen Dinge auswirken, angefangen bei unserer täglichen Interaktion mit Mobiltelefonen bis hin zu E-Learning und Konstruktionsvorgängen", erklärte GHOST-Koordinator Professor Kasper Hornbæk von der Universität Kopenhagen. "Es geht nicht nur um die Umformung des Bildschirms, sondern auch um das digitale Objekt, das bearbeitet wird, vielleicht sogar mitten in der Luft. Beispielsweise mit Technologie für Ultraschall-Levitation können wir die Anzeige aus dem Flachbildschirm herausprojizieren. Und dank umformbarer Bildschirme können wir sie mit den Fingerspitzen bearbeiten."
Dieser Durchbruch bei der Interaktion zwischen Benutzer und Technologie ermöglicht uns, Objekte und selbst Daten auf eine vollkommen neue Weise zu bearbeiten. Ein Chirurg könnte etwa physisch an einem virtuellen Gehirn arbeiten, das sich genau wie ein echtes Gehirn anfühlt, bevor er eine richtige Operation durchführt. Konstrukteure und Künstler, die mit physischen Ersatzstoffen wie Ton arbeiten, könnten bei ihrer Arbeit Objekte gestalten, verändern und sie im Computer speichern. Die GHOST-Forscher arbeiten auch mit verformbaren Eingabegeräten wie Matten oder Schwämmen für Musiker, mit denen Klangfarbe, Geschwindigkeit und andere Parameter elektronischer Musik gesteuert werden können.
Die GHOST-Mitglieder konnten bereits eine Reihe von Prototypen herstellen, um Anwendungen für formwechselnde Technologie zu demonstrieren. "Emerge" ist einer dieser Prototypen, bei dem die Daten eines Balkendiagramms mit den Fingerspitzen aus dem Bildschirm herausgezogen werden können. Die Informationen, etwa Wahlergebnisse oder Niederschlagsmuster, können dann neu angeordnet und nach Spalte, Zeile oder einzeln aufgeschlüsselt werden, um sie besser zu visualisieren. Die Forscher arbeiten darüber hinaus mit "Morphees", flexiblen Mobilgeräten mit Displays aus Lycra oder Legierungen, die sich je nach Nutzung biegen und dehnen. Diese können automatisch ihre Form verändern, etwa um ihre Finger bei der Eingabe eines PIN-Codes zu verbergen oder sich an die Irrungen und Wirrungen eines Spiels anpassen. Solche Geräte könnten auch in der Hand vergrößert werden, um Daten genauer zu betrachten, und vor dem Einstecken wieder zurück in das Taschenformat gebracht werden.
Einer der GHOST-Partner, die Universität Bristol, hat ein Startup-Unternehmen namens UltraHaptics gegründet. Dort entwickeln 12 Menschen eine im GHOST-Projekt erforschte Technologie, bei der Objekte mithilfe von Ultraschall direkt in der Luft ertastbar werden. Das Unternehmen konnte Gründungsinvestitionen im Vereinigten Königreich und weitere Finanzierung durch das Programm Horizont 2020 sichern.
"Indem Partner zusammengebracht wurden, die ihre Entdeckungen untereinander austauschen können, führte GHOST schon zu deutlichen Fortschritten", kommentierte Prof. Hornbæk. "Displays, die bei Verwendung ihre Form verändern, sind wahrscheinlich nur noch 5 Jahre entfernt. Bis ein Smartphone eine Landschaft in 20 oder 30 cm Entfernung zum Display projizieren kann, wird es noch ein wenig länger dauern – aber wir arbeiten daran!"
Das GHOST-Projekt, das Ende dieses Jahres abgeschlossen werden wird, umfasst vier Partner aus dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Dänemark und erhält 1,93 Millionen Euro aus dem EU-Programm "Future and Emerging Technologies" (Künftige und neu entstehende Technologien). [bl]



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