Agile Kultur im Unternehmen 28.08.2019, 10:08 Uhr

DevOps ist der Weg und nicht das Ziel

In einem Interview mit der Schwesterzeitschrift com! professional beschreibt Michael Kaufmann, wie sich Unternehmen agil aufstellen sollten und davon profitieren.
(Quelle: Michael Kaufmann)
In Zeiten agiler Software-Entwicklung müssen Administratoren und Entwickler eng zusammenarbeiten. Der Dev-Ops-Teamgedanke zählt, damit das iterative Herstellen von Software und deren schnelle Verteilung auch klappt.
Michael Kaufmann ist Director Development beim IT-Beratungsunternehmen Devoteam Alegri und Microsoft MVP (Most Valuable Professional) für Development Technologies. Der Entwickler und IT-Berater unterstützt Unternehmen bei der Transformation zur agilen DevOps-Organisation. Im Interview erklärt er, was DevOps ist, für wen es sich überhaupt eignet und wie Unternehmen vorgehen sollten, wenn sie agil werden möchten.
Michael Kaufmann wird die Keynote auf der DevOpsWorld Conference am 14. November 2019 in Frankfurt am Main halten.
com! professional: Herr Kaufmann, der Begriff DevOps ist nicht eindeutig bestimmt. Was verstehen Sie darunter?
Michael Kaufmann: DevOps ist ein Kunstwort aus Development und IT-Operations. Es gibt jedoch keine einheitliche Definition und kein Manifest, das beschreibt, was Dev-Ops beinhaltet. Microsoft verwendet diese Definition: „DevOps ist die Verbindung von Personen, Prozessen und Produkten, um eine stetige Bereitstellung von Nutzen für die Endbenutzer zu ermöglichen.“
com! professional: Es handelt es sich also nicht um einen Prozess oder eine Methode …
Kaufmann: Nein, DevOps wird oft als Mentalität (Mindset) oder Kultur bezeichnet. Wichtig sind folgende Betrachtungen: Im Mittelpunkt steht der Mensch! Sowohl auf der Seite der Bereitstellung als auch auf der Seite der Kunden oder Endbenutzer. Dem Nutzen, der geliefert wird, muss eine Nachfrage gegenüberstehen. Nur der Kunde bestimmt, was für ihn einen Mehrwert hat und was nicht. Die Betrachtung ähnelt hier sehr der des User Experience (UX) Designs. Und: In einer Kultur des Lernens wird diese Zusammenarbeit durch Personen, Prozesse und Produkte kontinuierlich verbessert.
com! professional: Die engere Verzahnung von IT-Betrieb und Entwicklung war ja schon immer ein Thema. Woher kommt es, dass DevOps plötzlich so stark an Bedeutung gewonnen hat?
Kaufmann: Die großen Software-Firmen hatten schon vor vielen Jahren große Schmerzen, da ihnen die Komplexität der Produkte über den Kopf gewachsen ist. Der Markt war hart und mit einem Release pro Jahr war es sehr schwer, sich zu behaupten, da man nicht schnell auf Änderungen reagieren konnte. Dazu kamen Qualitätsprobleme.
Deshalb haben diese Unternehmen schon sehr früh mit ihrer agilen Transformation begonnen. Dies hat zu einem neuen Stau geführt: dem Betrieb der Software. Jetzt kamen neue Releases nicht mehr einmal im Jahr, sondern alle paar Wochen. Dies zog quasi zwangsläufig eine stärkere Verzahnung nach sich.
Klassische Unternehmen haben den Druck lange nicht gespürt. Rein manuelle Produkte waren zum Großteil auch noch auf klassische Weise planbar. Erst jetzt mit der Digitalisierung der Produkte steigt der Druck. Die Unternehmen beginnen, sich mit DevOps zu beschäftigen – sie sind aber meist mit ihrer agilen Transformation noch gar nicht weit genug.
com! professional: Man liest immer wieder von einer sogenannten DevOps-Kultur. Was ist das genau?
Kaufmann: DevOps ist quasi Agile 2.0. Bei DevOps wird nicht nur das agil entwickelt, was Leute „erraten“ haben, was der Kunde brauchen könnte. Hier wird experimentiert: Es werden Hypothesen aufgestellt und widerlegt oder bestätigt. Dazu ist eine Kultur des Lernens notwendig.
Ein Unternehmen, das immer nur auf die Kosten schaut, in dem das Management meint, es wisse alles besser, in dem nur die Zahlen für das nächste Quartal zählen – ein solches Unternehmen wird DevOps nicht erfolgreich leben. Sie können zwar Continuous Delivery oder Container einführen, und sicher wird ihnen das auch einen Vorteil bringen, aber eine DevOps-Kultur, die die besten Ingenieure zu Bestleistungen befähigt, werden sie so nicht bekommen. Dazu ist eine agile, menschenzentrierte Unternehmenskultur nötig.
com! professional: Und für wen eignet sich das Thema Dev-Ops? Für die kleinen Unternehmen, die ohnehin häufig schon agil unterwegs sind, oder auch für große Unternehmen, denen DevOps nun die Abteilungen endlich „zusammenklebt“?
Kaufmann: Kurze Antwort: für alle! Für kleine und schlanke Start-ups ist es eine passende Sache – sie stoßen dann aber oft auf Probleme bei der Skalierung. Für große Unternehmen ist es schwieriger. Wenn die Silos seit Langem bestehen und eine prozessgetriebene Kultur der Konkurrenz und individuellen Leistung etabliert ist, dann ist die Transformation schwierig. Das heißt aber nicht, dass sie nicht nötig oder richtig wäre.
com! professional: Und andersherum – wer sollte lieber die Finger davon lassen?
Kaufmann: Wenn folgende Bedingungen für ein Unternehmen gelten, dann ist DevOps nichts: Man ist Marktführer und hat keine Konkurrenz, der Markt ist also konstant. Oder Produkte sind nicht digital und genau definiert, das Produkt ist also auch konstant.
Ich hatte mal einen Kunden, der Teile für U-Boote hergestellt hat. In diesem Fall gilt: Warum soll man etwas ändern? Das dürfte aber für die wenigsten Unternehmen passen. Die Märkte ändern sich rasant und fast jeder Markt ist von der Digitalisierung betroffen – egal ob über die Produkte oder den Fertigungsprozess. Für die meisten Unternehmen wird deshalb die Existenz davon abhängen, ob sie die Transformation schaffen.
com! professional: Erst Scrum, jetzt DevOps … Löst DevOps nun alle Probleme? 
Kaufmann: Scrum, Agile, Lean, Application Lifecycle Management, User oder Customer Experience, jetzt DevOps …Das sind alles Konzepte, die sich in keiner Weise ausschließen. Sie sind alle Teil eines großen Ganzen, unterschiedliche Seiten derselben Medaille. Sie betrachten die nötigen Änderungen im Unternehmen immer nur aus einem anderen Blickwinkel.
Scrum ist der Blick durch die Brille der Entwickler, Agile/Lean durch die Brille des Managements, UX/CX durch die Brille des Kunden und DevOps durch die Brille der IT – oder des Betriebs. Nur zusammen wird ein Schuh daraus. Und so wird auch DevOps nicht auf magische Art und Weise alle Probleme lösen.
Wenn man es schafft, eine Kultur des Experimentierens und Lernens im Unternehmen zu kreieren, wenn man es schafft, interdisziplinäre Teams zu befähigen, selbst zu entscheiden, was für die Kunden das Beste ist, dann werden sich ganz automatisch all diese Konzepte zu einem gewissen Maß ergeben. Wenn man in der Formel 1 mitfährt, dann bringt es nichts, alles so zu machen wie die anderen. Man muss besser sein, wenn man gewinnen will.
com! professional: Die DevOps-Einführung ist ein transformierender Prozess. Ist es ein Top-down-Prozess oder beginnt es eher auf der Teamebene?
Kaufmann: Idealerweise hat man Unterstützung aus dem Top-Management. Die DevOps-Transformation geht am besten Hand in Hand mit der agilen und digitalen Transformation und der Öffnung für die Cloud. Das bedeutet aber, dass das Management sich selbst ändern muss.
com! professional: Muss ein Unternehmen fit in agilen Entwicklungsmethoden sein, bevor es sich mit dem Thema Dev­Ops beschäftigt?
Kaufmann: Nicht zwangsläufig. Das kommt ganz auf den Reifegrad und die Art der Einführung an. Agilität ist zwar das Herz von DevOps, aber ich habe auch Kunden, die ihre Software zum Beispiel von Partnern agil entwickeln lassen. Sie profitieren im Betrieb von dieser Software, aber auch von Dev­Ops-Praktiken. Andere Kunden kommen aus einem schlanken Fertigungsprozess, und bei dem kommt jetzt Software dazu. Die müssen nicht erst Scrum machen, um DevOps zu leben, sie können das in ihren Prozess integrieren. Bei Dev­Ops ist alles erlaubt, was hilft.
com! professional: Was müssen etwa die Entwickler und Engineers tun, um die notwendigen DevOps-Skills zu erlangen?
Kaufmann: In der DevOps Welt geht es um gemeinsame Wertschöpfung. Soft Skills werden wichtiger als Hard Skills. Mitarbeiter müssen ins Team passen und eine Bereitschaft zum Lernen aufweisen. In einem guten Team muss man das tun, was gerade nötig ist, um erfolgreich zu sein – auch wenn das nicht das Lieblingsthema ist. Es geht um Offenheit, Empathie, Lernbereitschaft und das Ringen um optimale Lösungen.
com! professional: Warum sind die Unternehmen beim Thema DevOps zurückhaltend. Was sind die Hemmschwellen?
Kaufmann: In Deutschland denken wir funktionell getrennt. So produzieren wir und so denken wir, wenn wir von Unternehmen reden: Organigramme, klare Linien und Funktionen. Design, Entwicklung, Test und Betrieb. Das klingt alles einfach und logisch. Interdisziplinäre und flexible Teams in losen Strukturen, damit tun wir Deutsche uns schwer. Wenn wir aber loslegen, dann machen wir es richtig. Deutschland legt jetzt mit dem Thema Cloud los und das Thema DevOps wird in den nächsten Jahren folgen. In Deutschland will immer niemand der Erste sein – es will aber auch niemand der Letzte sein.
com! professional: Wir spielen also nicht in der ersten Liga?
Kaufmann: Wir sind Jahre hinterher. Wenn man sich die Dev-Ops Reports 2017 und 2018 ansieht, dann liegen wir in Europa weit hinter den USA und Asien. Das gilt für DevOps, Cloud und digitale Plattformen.
Wir müssen erst mal aufholen. Deshalb ist es gerade wichtig, sich am Standard, den die anderen gesetzt haben, zu orientieren.
Geballte Informationen und zur Praxis mit DevOps erhalten Sie auf der DevOpsWorld Conference, die am 14. November 2019 in Frankfurt am Main stattfindet.



Das könnte Sie auch interessieren