Interview mit dem General Manager von Embarcadero 18.02.2019, 00:00 Uhr

„Delphi ist wohl die beste Sprache für Anfänger“

General Manager Atanas Popov über die aktuelle Version 10.3 und die Zukunft von Embarcaderos RAD Studio.
(Quelle: Embarcadero)
RAD Studio, das aus Delphi und C++-Builder besteht, ist vielen Entwicklern als integrierte Entwicklungsumgebung bekannt. Für welche Plattformen kann man damit Software entwickeln?
Atanas Popov: RAD Studio war bekannt für die Entwicklung hochleistungsfähiger Anwendungen für Windows und ist nach wie vor eine der produktivsten Umgebungen für die Erstellung von Windows-Anwendungen, die eine hohe Performance und eine hervorragende Benutzeroberfläche erfordern. Aufgrund der komplexen Struktur der .NET-Bibliotheken hat die native Natur von RAD Studio oft einen Vorteil gegenüber .NET-Applikationen.
Atanas Popov
Atanas Popov verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Gründung und Führung von Technologieunternehmen sowie in der Führung und Umsetzung effektiver Wachstumsstrategien. Im Jahr 2015 wurde er zum General Manager von Embarcadero Technologies ernannt, mit der Gesamtverantwortung für die Umsetzung der globalen Geschäftsstrategien des Unternehmens. Er ist ein leidenschaftlicher Technologe mit langjähriger Erfahrung in Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb. Vor Idera und Embarcadero leitete Atanas Popov das Mediengeschäft bei Acxiom, einem der führenden Big-Data-CRM-Unternehmen. Er war Portfoliochef für mehrere Versata-Unternehmen und war an Technologie-Start-ups im Gesundheitswesen und in der Werbetechnik beteiligt. Er verfügt außerdem über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung von Wipro und Deloitte mit Schwerpunkt in der Medien- und Technologiebranche. Atanas Popov hat einen Master of Business Administration (MBA) und einen Bachelor of Science in Mathematik der University of Southern California (USC).
Mithilfe unseres FMX-Frameworks (FireMonkey) haben wir das plattformübergreifend erweitert. Damit kann RAD Studio heute nativ kompilierte Anwendungen für Windows, iOS, Android und macOS bereitstellen, die auf einer einzigen Codebasis arbeiten.
Es scheint, als ob der Glanz der großen Entwicklungsumgebungen zugunsten flexibler Ansätze aus dem Open-Source-Umfeld deutlich nachlässt. Schlanke Tools rund um die Web-Technologien HTML5, CSS3 und JavaScript sind zunehmend im Einsatz. Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund RAD Studio in drei oder fünf Jahren?
Atanas Popov: Dies ist ein sehr umfassendes Thema, das aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Ich denke, dass die integrierten Entwicklungsumgebungen (IDE) tatsächlich immer komplexer werden, da selbst in der Webwelt ein explosionsartiger Zuwachs an Werkzeugen und Rahmenbedingungen auftritt.
Die Realität ist, dass auch heute noch ein großer Bedarf an kompilierten Anwendungen existiert. Wir haben es mit einer sehr heterogenen Welt zu tun, in der es verschiedene Technologien für unterschiedliche Anwendungsfälle gibt.
Unsere Vision ist es, dass RAD Studio weiterhin das beste Werkzeug seiner Klasse ist, um native Anwendungen zu entwickeln. Es gibt eine große Chance, Delphi auf der Serverseite neu zu etablieren, zumal Oracle die Zukunft von Java weniger vorhersehbar macht. Gleichzeitig wird RAD Studio aber auch künftig nicht alle Technologien bedienen.
Wir denken beispielsweise, dass Microservices-Architekturen die Zukunft gehört. Hier unterstützt ein Delphi-Back­end eine robuste Windows-App auf der Basis unserer Visual Component Library (VCL), eine mobile FireMonkey-App, ein JavaScript-Frontend und möglicherweise eine Reihe von Linux-basierten Geräten.
In diesem Sinne glaube ich, dass wir für die Zukunft gut gerüstet sind.
Mit dem geräteübergreifenden Ansatz konkurriert RAD Studio mit vielen Technologien um die beste Variante, eine App für iOS und Android zu erstellen. Welche Vorzüge sehen Sie im Ansatz Ihrer Technologie?
Atanas Popov: Der große Vorteil von RAD Studio ist die hohe Produktivität. Es ist die ursprüngliche Drag-and-drop-Philosophie, der wir bis heute treu geblieben sind. Es gibt keine anderen Tools, die so einfach zu erlernen sind und dennoch eine kommerzielle Anwendung erzeugen können. Wir finden die Kombination aus Delphi und Mobility fantastisch.
Ständig neue Versionen der Betriebssysteme machen es notwendig, dass auch die Entwicklungs-Tools zeitnah angepasst werden. Wird es Embarcadero gelingen, künftig schneller aktuelle Versionen der Betriebssysteme zu unterstützen?
Atanas Popov: Wir konzentrieren uns auf die Plattformunterstützung. Die Roadmap für 10.3 ist öffentlich und umfasst mac­OS 64, Android 64, Win 64 und so weiter. Wir waren an der C++-Front etwas zurückgefallen und haben in den vergangenen 24 Monaten aufgeholt. Mit RAD Studio 10.3 wird die Unterstützung neuer Plattformen schneller und einfacher. Beachten Sie, dass jedes Update Verbesserungen der Platt­form­unterstützung enthält.
Ich denke, dass den Kunden immer noch nicht bewusst ist, dass bei uns alle Versionen wichtige Updates erhalten, zum Beispiel Version 10.3, 10.3.1, 10.3.2 und so weiter. Früher zielten solche Updates hauptsächlich auf die Verbesserung der Softwarequalität ab. Heutzutage besteht der einzige Unterschied zwischen Haupt- und Nebenversionen darin, ob wir darin Code Breaking Changes vornehmen oder nicht. Ansonsten kann ein Update ebenso viele zusätzliche Funktionen aufweisen wie eine Hauptversion.
Windows-Applikationen werden zunehmend für die Universal Windows Platform (UWP) bereitgestellt. RAD Studio erzeugt zwar klassische Windows-Anwendungen, es sind aber Windows-32- beziehungsweise -64-Bit-Anwendungen. Wird es mit RAD Studio möglich sein, UWP-Apps zu erstellen?
Atanas Popov: Wir prüfen fortlaufend, wie sich Windows am besten unterstützen lässt. Wir sind der Meinung, dass die Kombination aus Stabilität und Leistung, die wir unseren Kunden bieten, sehr wichtig ist. In gewisser Weise bringen wir Windows-Entwicklern mehr Stabilität als Microsoft selbst, da sie viele konkurrierende Ziele verfolgen. Unser Ziel ist es, RAD Studio als die beste Entwicklungsplattform für Windows zu erhalten. Wenn UWP-Unterstützung erforderlich ist, werden wir dies sicherlich in Betracht ziehen.
Delphi ist eine hauseigene Erweiterung von Pascal. Die Sprache wurde früher gern als akademische Lehrsprache eingesetzt. Heute verwendet man in diesem Umfeld häufiger Java, JavaScript oder C#. Moderne Konzepte wie funktionale Programmierung oder Garbage Collection sind nicht Bestandteil von Delphi. Welche Pläne existieren, um Delphi an die künftigen Erfordernisse anzupassen?
Atanas Popov: Delphi ist wahrscheinlich die beste Sprache für Anfänger. Ich glaube, dass der Mangel an Popularität in letzter Zeit weniger mit der Sprache als mit dem Marketing und der Positionierung verschiedener Technologien zu tun hat. Offensichtlich profitierte C# von den kostenlosen Versionen von Visual Studio, die von Microsoft vergeben werden. Java profitierte vom Oracle-Support und der großen Nachfrage nach Entwicklern.
Heute ändern sich die Dinge. Es gibt kostenlose Delphi-Versionen, welche für die Ausbildung verfügbar sind. Java ist weniger dominant und die Leute haben Angst, dass Oracle es aggressiver für seine Strategie einsetzen wird. Ich sehe eine schöne Zukunft für Delphi. Es muss nicht die vorherrschende Sprache sein; aber es ist wirklich eine geeignete Sprache für Programmiereinsteiger.
Mit C++ setzen Sie als zweite Programmiersprache auf eine, die als vergleichsweise komplex gilt und ein fehlerfreies Schreiben des Quellcodes nur bedingt unterstützt. Ist C++ heute für unternehmenskritische Anwendungen im Business-Umfeld mit einer schnellen Time-to-Market überhaupt noch relevant?
Atanas Popov: C++ hat aufgrund seiner Leistung und Konsistenz wieder an Popularität gewonnen. C++ ist besonders für den IoT-Bereich relevant. Wir unterstützen beide Sprachen, da wir die Kombination für sehr leistungsstark halten. Es gibt Dinge, die C++ aus der Sicht der Kontrolle und der Leistung besser macht. Es gibt Einsatzgebiete, wo man Delphi nur schwer verwenden kann. Mit diesen zwei Sprachen aber sollte ein Entwickler grundsätzlich in der Lage sein, native Applikationen für alle relevanten Plattformen zu schreiben.
Die Community-Edition ist eine Maßnahme, um RAD Studio bekannter zu machen. Im Vergleich zur Konkurrenz ist die Einschränkung für eine kommerzielle Nutzung mit maximal 5 000 US-Dollar Umsatz je Jahr jedoch sehr hart. Ist hier eine Nachbesserung – gerade für kleinere Entwicklungsunternehmen – geplant?
Atanas Popov: Man kann die Beschränkung von 5 000 US-Dollar mit der Zeit erhöhen. Wir halten es aber für ein Gebot der Fairness, dass auch kleinere Entwicklungsunternehmen oder Einzelpersonen unsere Produkte bezahlen, wenn sie damit Geld verdienen.
Die Einschränkung spricht auch für die Kraft von Delphi. Wir haben viele Einzelentwickler, die sehr komplexe Produktionsanwendungen erstellen. Das ist in C# oder Java nicht so einfach möglich.
Wenn Sie dasselbe Ziel mit anderen Technologien erreichen möchten, benötigen Sie häufig das Fünffache an Ressourcen. Das war übrigens auch der Grund, warum Delphi selbst in Zeiten, in denen seine Popularität gesunken war, immer noch intensiv genutzt wurde.
Was sind die Kernfeatures von RAD Studio 10.3?
Atanas Popov: RAD Studio 10.3 mit der Bezeichnung Rio bietet zahlreiche neue Funktionen in der IDE. Unsere Kunden haben es damit deutlich leichter, Windows 10-, Android- und iOS-Anwendungen zu erstellen. Die neue Version bietet auch einen aktualisierten RAD-Server für das Aufsetzen von Microservice-Architekturen. Nicht zuletzt ist die Unterstützung von C++ 17 ein deutlicher Sprung, ebenso wie viele Verbesserungen in der Sprache Delphi.
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