Editorial 19.09.2022, 00:00 Uhr

Alles künstlich

Sie nennen sich DALL-E 2 und Mid Journey, und sie sind Künstler: Beide sind neuronale Netze und erzeugen aus dürren Worten opulente, absolut faszinierende, atemberaubende Bilder.
(Quelle: Tilman Börner)
Bilder, die nach einem Gemälde von Vincent van Gogh aussehen, wie ein Foto oder wie aus einem Raytracing-Programm mit einer hyperrealen Farbkomposition. Endzeitstimmungen, verspielte Porträts oder Landschaften entfernter Planeten. Nach der schlichten Eingabe von „robot whale“ oder „man playing gui­tar“ spucken die KIs Bilder aus, die man sich ausdrucken und an die Wand hängen könnte.
Ganz raffiniert hat Mid Journey die Kommunikation mit der KI in die Diskus­sionsplattform Discord verlegt. Der Vorteil: Sie können auch die Bilder sehen, die aufgrund von Beschreibungen der anderen entstanden sind. Vor allem aber sehen Sie deren Eingaben, die zu den Bildern geführt haben. Hier stolpert man teils über skurrile Anweisungen wie „Harry Potter gangsta with dreadlocks facetattoo and chains“. Wer denkt sich so etwas aus?

Wem ein Bild gefällt, der sollte es sofort kopieren, denn sonst findet man es nie wieder.

Glauben Sie mir, ich weiß das aus Erfahrung.
Also alles super? Kann nun jeder endlich die Bilder erzeugen, die er schon immer malen wollte, aber aufgrund mangelnder Begabung nicht hinbekommen hat? Auf der anderen Seite: Ist die Kreativität der Menschheit am Ende, weil nun alles die Computer machen?
Bei längerer Beschäftigung mit Mid Journey fällt auf, dass es zwar keine zwei Bilder gibt, die gleich sind, aber viele ähnliche Bilder – im Stil oder in den Farben. Dunkle Landschaften mit knallroten Akzenten finden sich zum Beispiel häufig, und weibliche Gesichter ähneln sich. Das ist aber auch verständlich, denn selbst wenn Millionen von Bildern als Basis dienen, ist der Datensatz doch begrenzt.
Die von Menschen gemachte Kunst scheint also nicht bedroht. Für die Schaffenswilligen aber, die vielleicht das Handwerk Malen oder Zeichnen nicht so gut beherrschen, ergibt sich mit der KI ein neues Werkzeug. So nutzen manche Mid Journey, um beeindruckende Bilder für Graphic Novels oder Comics zu erzeugen.
Für mich als Fan des Render-Programms Blender stellt sich die Frage: Wann kommt eine ähnliche Software für 3D-Modelle? Eine paar dürre Worte wie „spaceship asymmetric Boba Fett", und das 3D-Objekt eines Raumschiffs entsteht in Sekunden, ohne es in stundenlanger Arbeit selbst modellieren zu müssen.
Wer Ausschnitte aus der Kreativität der KIs sehen will, sei auf die Website ­https://openart.ai/ verwiesen. Hier ist keine Anmeldung erforderlich.
Viel Spaß mit der dotnetpro
Tilman Börner
Chefredakteur dotnetpro
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