Editorial 19.07.2021, 00:00 Uhr

Mr. Hinterherhetz

Als sich die gedämmte Tür der Anstalt schließt und ich allein mit Franz F. bin, öffnet sich ein gigantisches Tor zu seiner malträtierten Seele.
(Quelle: Sebastian Scharnagl)
Er schüttet sein Herz aus, während ich bis zur Hüfte in seinem Schmerz wate. „Freilich war mir von Anfang an klar, dass der Auftrag schwierig würde. Nicht wegen der Technologie oder der Implementierung“, verriet er. „Dieser Kunde war ein spezieller Kunde. Ich hätte mich auch nie darauf eingelassen, hätte ich nicht das Geld gebraucht. Auto, Haus und Geliebte wollten versorgt sein. Die Bezahlung war fürstlich – wohl auch, weil dem Gegenüber klar war, dass es Übermenschliches erforderte, ihn zufriedenzustellen.
Es war ein einfacher Webshop zu bauen, der aber durch außergewöhnliche Animationen die Produkte in einem besonderen Licht erscheinen lassen sollte. Eigentlich keine große Sache, aber der Kunde war tatsächlich unberechenbar. Mal war die Animation zu schnell. Mal passten die Farben nicht oder er wollte Motoröl über die Seite laufen sehen. Sie zucken? So ging es mir anfangs auch.“
In der Tat hatte ich gezuckt, denn dieser Wunsch mit der über den Screen laufenden Flüssigkeit war auch schon an mich herangetragen worden. Glücklicherweise konnte ich damals die Kosten für diesen Effekt vorrechnen, was die Idee schnell als Spinnerei aussortierte.

„So ging das eine ganze Weile und ich bin immer
hinterhergehetzt, um die neuen Ergüsse des Kunden umzusetzen. Er zahlte ja gut.“

„Bis er eines Tages meinte, ob ich nicht eine Software schreiben könnte, die den Kunden spielt. Die könnte dann in seinem Shop einkaufen und er müsste nicht mal Werbung schalten. Meinen Einwand, dass dadurch der Shop kein Geld verdienen würde, ließ er nicht gelten. ‚Das lassen Sie mal meine Sorge sein.‘
Das Ende vom Lied war, dass der Kunde natürlich auch noch genaue Vorstellungen hatte, wer seine Kunden wären, wie sich diese verhielten und was sie alles kaufen würden und was nicht. Zum Beispiel dieses beigefarbene Top …
Zum Schluss wusste ich nicht mehr: Bin ich nun Shop oder Kunde, und wenn ja, welcher der rund 7930, deren Profile ich in vielen Sitzungen mit meinem Kunden aufgenommen und dann eingetippt hatte.
Aber inzwischen geht es mir schon viel besser. In wenigen Wochen komme ich raus. Dann werde ich nicht das Geld den Kunden auswählen lassen.“
Viel Spaß mit der dotnetpro
Tilman Börner
Chefredakteur dotnetpro
PS: Der ursprünglich angekündigte Schwerpunkt „Mobile Software“ musste nicht auf Kundenwunsch, sondern aufgrund von Artikelproblemen kurzfristig geändert werden. Wir bitten um Verständnis.
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