Editorial 13.04.2020, 00:00 Uhr

Die Sache mit dem Messer

Softwareentwicklung ist moralisch neutral. Das bedeutet, sie kann Gutes und Böses bewirken.
(Quelle: Sebastian Scharnagl)
Vor Jahren lernte ich einen Entwickler kennen, der auf die Frage nach seinem Job hin meinte, dass er zu den Bösen gehöre: Er entwickle Software für Raketensysteme für das Militär. Was sich im ersten Moment verwerflich anhört, könnte auf den zweiten Blick sehr positiv sein: Was, wenn diese Raketen das Leben von vielen Zivilisten retten, weil sie Angreifer ausschalten?
Andere bauen Software, die mit künstlicher Intelligenz Bilder eines Computertomografen auswertet, um Hinweise auf mögliche Krankheiten zu finden. Verkehrt sich aber diese gute Anwendung ins Negative, wenn damit ein Diktator geheilt wird?

Solche philosophischen Fragen sind nicht leicht
und auch nicht generell zu beantworten.

Es kann sich nur jeder selbst die Frage stellen, ob seine Tätigkeit mit seinen Moralvorstellungen zusammenpasst. Viele der Anwendungen, die entstehen, sind auch nicht einfach zu taxieren. Ist es verwerflich, ein CRM für eine Firma zu schreiben, die im Verdacht steht, Menschen auszubeuten?
Die Software selbst ist erst einmal wie ein Messer: Man kann damit Brot schneiden oder einen Menschen verletzen. Bei meiner Verhandlung damals als Wehrdienstverweigerer – ja, ich bin so alt, dass es damals noch eine Verhandlung gab – bekam ich eine der typischen Gewissensfragen gestellt: Ein Flugzeug will eine Bombe auf eine Stadt mit Hunderttausenden Einwohnern werfen. Sie haben die Möglichkeit, es abzuschießen, töten damit aber die Besatzung. Was machen Sie? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Es geht dabei nur darum, dass der Wehrdienstverweigerer zeigt, dass er sich dazu Gedanken macht und nicht leichtfertig Leben opfert.
Eine eindeutige Antwort gibt es hingegen auf den Fall, dass Hacker die IT eines Krankenhauses mit Ransomware infizieren, um Geld zu erpressen. Dieser Vorgang ist ja schon verwerflich. Fassungslos bin ich aber darüber, dass das auch noch während der Corona-Krise in einem Krankenhaus mit dem landesweit größten tschechischen Labor zum Nachweis von COVID-19-Infektionen passiert [1]. Das ist unmenschlich und absolut inakzeptabel.
Bleiben Sie gesund. Ich wünsche Ihnen viele interessante Erkenntnisse mit der dotnetpro.
Tilman Börner
Chefredakteur dotnetpro
Dokumente
Artikel als PDF herunterladen


Das könnte Sie auch interessieren