Technische Universität München (TUM) 02.10.2023, 12:42 Uhr

München wird Zentrum für Quantum Computing Software

Ein von der TUM zur Verfügung gestelltes Interview mit Professor Robert Wille zur Software von Quantencomputern.
Prof. Dr. Robert Wille; Technische Universität München
(Quelle: Technische Universität München (TUM))
Die meisten von uns benutzen Software-Anwendungen fast täglich, um beispielsweise E-Mails zu schreiben oder im Internet zu surfen. Doch wie sehen zukünftig Programme aus, wenn neue Technologien wie Quantencomputer Einzug halten? Professor Robert Wille und sein Team entwickeln schon heute die Software für morgen – und heißen im Oktober hierzu das "Who’s is Who" der Software Community zu einem Austauschforum willkommen. Im Interview erklärt er, worum es dabei geht und was den Forschungsstandort München so einzigartig macht.
Was macht einen Quantencomputer im Unterschied zu einem herkömmlichen Computer aus?
Bei den bisherigen, digitalen, Computern funktionieren alle Programme basierend auf den binären Zuständen 0 und 1. Das ergibt sich, weil es sich bei diesen Rechnern um elektronische Systeme handelt, bei denen Informationen mithilfe der beiden Zustände "Strom an" (eben 1) und "Strom aus" (eben 0) verarbeitet werden. Quantencomputer hingegen nutzen quantenmechanische Objekte, beispielsweise Ionen oder Photonen. Dabei kommen die Gesetze der Quantenmechanik ins Spiel, die neben den beiden Zuständen 0 und 1 noch sogenannte Superpositionen erlauben – also Zustände die gewissermaßen 0 und 1 gleichzeitig repräsentieren. Mit diesen (und weiteren) Eigenschaften lassen sich in Zukunft bestimmte Probleme lösen, die wir aufgrund der enormen Komplexität mit bisherigen Rechnern nicht "geknackt" bekommen haben.
Was kann man sich unter einer Software für Quantencomputer vorstellen?
Das Prinzip ist ähnlich zu herkömmlichen Computern: Software ermöglicht es, dass grundsätzlich jeder einen Rechner bedienen kann – selbst wenn er/sie keine Ahnung von elektrischen Schaltungen hat. Das Gleiche soll Software für Quantencomputer leisten: Die Endanwender:innen sollen diese neue Technologie auch ohne Wissen von Quantenphysik und Quantenmechanik nutzen können. Da Quantensysteme aber anders funktionieren als elektrische Schaltungen, müssen wir hierfür die Software neu entwickeln.
Wie gehen Sie bei Ihrer Forschung vor?
Zunächst müssen wir uns bei der Entwicklung von Softwarelösungen immer die Frage stellen, ob das identifizierte Problem überhaupt für Quantencomputer geeignet ist. Quantencomputing ist keine eierlegende Wollmilchsau. Es gibt Probleme, für die eignet sich der Quantencomputer besser und für andere sollte man auf andere Technologien setzen. Im zweiten Schritt gehen wir der Frage nach, wie können wir dieses Problem über verschiedene Schritte so umformulieren, dass es auf der eigentlichen Quantenhardware läuft. In der Regel simulieren wir dafür unsere Algorithmen zunächst auf einem herkömmlichen Computer, um überhaupt auszuprobieren, ob wir das gewünschte Ergebnis bekommen. Anschließend überlegen wir uns, wie wir das Problem so aufbereiten können, dass wir eine Berechnung auf unserem Quantencomputer durchführen können. Dahinter steckt am Ende die Idee, Softwarelösungen zu entwickeln, mit denen die Endanwender:innen "auf Knopfdruck" das entsprechende Ergebnis geliefert bekommen.
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand im Bereich der Software für Quantencomputer?
Die Basis ist zunächst natürlich die Hardware – ohne sie geht es nicht. Gerade hier sind in den letzten Jahren aber enorme Fortschritte gemacht worden. Quantencomputer werden in naher Zukunft für praktisch relevante Probleme geeignet sein. Entsprechend wichtig ist, dass wir nun auch mit der Entwicklung von Software nachziehen. Sonst haben wir im Zweifel mächtige Quantencomputer, aber keine Methoden sie sinnvoll zu nutzen. Der Vorteil ist, dass wir nicht "bei Null" anfangen müssen. Wir können viel aus der Softwareentwicklung für bisherige Computer aus den letzten Jahrzehnten lernen. Gleichzeitig stehen wir aber vor der Herausforderung, komplett neue Berechnungsparadigma und physikalische Grundlagen berücksichtigen zu müssen. Kurzum: Die Basis ist stark, es gibt aber noch enorm viel zu tun.
Wie stehen Deutschland und der Forschungsstandort München im internationalen Vergleich da?
In München sind wir nicht zuletzt durch die Initiative des Munich Quantum Valleys nahezu perfekt aufgestellt. Sowohl Endanwender:innen als auch Physiker:innen – die beiden Gruppen, die wir mit Software zusammen bringen müssen – sind wortwörtlich "auf der anderen Straßenseite" erreichbar. Dadurch sehen wir sofort, was gebraucht wird; aber auch, welche Softwarelösungen funktionieren und welche nicht. Diese enge interdisziplinäre Verzahnung von Top-Wissenschaftler:innen zu diesem Thema an einem Standort gibt es weltweit nur äußerst selten. Und ich bin stolz und dankbar ein Teil einer solch lebendigen und hochkarätigen Community zu sein.
Anfang Oktober laden Sie zum Munich Quantum Software Forum ein. Erzählen Sie uns, was Sie dort geplant haben.
Wir wollen das Thema "Software für Quantencomputing" ins Rampenlicht rücken und (zukünftige) Endanwender:innen mit den Entwickler:innen zusammenbringen. Dabei ist es uns gelungen, das "Who’s Who" der Software Community (sowohl aus Forschung als auch Industrie) nach München zu bringen. Das Interesse ist enorm und nicht zuletzt die Teilnahme von "Big Playern" wie IBM, Google, Microsoft, Amazon und mehr zeigt, dass hier großer Bedarf herrscht. Die Zeit ist reif, tiefer in die Entwicklung von Software für Quantencomputer einzusteigen!
Das Munich Quantum Software Forum findet am 9. und 10. Oktober im Science Congress Center Munich am Forschungscampus in Garching statt (Walther-von-Dyck Str. 10, 85748 Garching bei München). Weitere Informationen und das Programm der Veranstaltung finden Sie unter https://www.cda.cit.tum.de/research/quantum/mqsf/


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